Dienstag, 24. Februar 2015

Der Landstreicher 2

Herausgeber: Einzelperson (Erfurt)
Erscheinungsdatum: Januar 2015
Seiten: 120, f
Preis: 3,50



Lange, verdammt lange hab ich auf die zweite Ausgabe des Erfurter Landstreichers gewartet. Geschlagene fünf Jahre ist es her, dass das Autorenteam um Damian und Andre ihre Debütausgabe auf den Markt geworfen hat. Das erste Heft kam in meiner Rezension, die ihr im Schnitzer #6 nachlesen könnt, relativ gut weg. Ich kann vorweg nehmen, dass auch trotz dieser ausführlichen (kreativen?) Pause die Numero zwei lesenswert ist – und das nicht nur, weil etwa auf Länderspiel-Berichte verzichtet wird. Rein optisch ist das Heft etwas moderner geworden, Farbfotos, wenn auch nicht immer in der idealen Auflösung, begleiten die Texte auf nahezu jeder Seite. Vieles erinnert ans Köpenicker Jottwede (was durchaus positiv gemeint ist!), gerade auch hinsichtlich der besuchten Länder, die überwiegend südöstlich der Gera liegen.

Relativ schnell fällt das unermüdliche DDR-nostalgische Faible auf. Von "sozialistischen Bruderländern wie Jugoslawien, Bulgarien oder Nicaragua", von DEFA-Märchen und Ex-Stasi-Nachbarn, von Papiersteinkörben im Karli oder Lautsprechern aus der Zeit des Eisernen Vorhangs, ist die Rede. Sehr originell find ich in diesem Zusammenhang die Idee bestimmte Größen des DDR-Fußballs mit inforeichen Postkarten und Briefmarken einzuleiten – so etwa bei den besuchten Spielen in Eisenhüttenstadt, im Jahn-Sportpark (das auf einer Postkarte angesprochene Walter-Ulbricht-Stadion aka Stadion der Weltjugend in der Chausseestraße existiert ja leider nicht mehr) oder Babelsberg.

Besonders gespannt war ich auf die Berichte aus den entfernteren Ländern wie Japan, Südkorea, Costa Rica, Nicaragua und Panama. Für diese fernen Regionen zeichnet sich stets Autor Kai Hawaii verantwortlich. Der ostasiatischen Teil wird er in meinen Augen etwas zu kurz abgefasst, allerdings handelte es sich nicht um eine geplante Hoppingtour, sondern um eine Dienstreise. Aus Zentralamerika gibt es dafür eine schön zusammenhängende Tour, die sich eher weniger um den dortigen Fußball, sondern mehr um das dortige Flair mit all seinen schönen und hässlichen Seiten zeigt. Warum der Schreiber in einer Passage so ein Bohei um vermeintliche political incorrectness (man verweist bereits im Vorwort ausdrücklich darauf, eben nicht jeden "grammatikfeindlichen Müll" mitzumachen und grüßt mit "Anti PC") macht, ist eventuell mangelndem Selbstbewusstsein geschuldet – denn wirklich incorrect ist die anschließende Beschreibung der Situation der urinierenden Freundin auf dem panamesischem Straßenstrich nicht wirklich.

Immer wieder – und das gefällt mir vor allem bei den Touren durch Osteuropa sehr, gibt’s schöne Anekdoten: Etwa die brisante Hool-Begegnung in einem Restaurant in Stara Zagora oder das Empfinden eines Griechen, wenn er auf Deutsche trifft. Überausführlich und hintergründig wird auch über die Derbys in Sarajevo und Belgrad berichtet, wobei Letzteres im Jahr 2013 gleich zweimal aufgesucht und im Heft reichlich bebildert wird. Was bleibt mir anderes übrig, als über einen gelungen Neustart zu resümieren und zu fordern, dass die Ausgabe 3 doch bitte deutlich vor 2020 erscheinen möge.

STS



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