Donnerstag, 11. Oktober 2012

Stöffche 1


Titel: Stöffche 1
Herausgeber:  Ultras Frankfurt
Erscheinungsdatum:  März 2012
Seiten: 136, komplett farbig
Preis: 3,-

Die Ultras Frankfurt haben viel Nachholbedarf in Sachen Öffentlichkeitsarbeit. Neben dem Infozine Schwarz auf Weiß und unregelmäßig erscheinenden Texten auf ihrer Homepage lässt man sich kaum in die Karten sehen. Im Jahre 2006 erschien mit der 15. Ausgabe des „Babbedeggels“ das letzte Fanzine aus der Feder der Frankfurter. Mit dem „Stöffche“ will man wieder literarisch aktiv werden und so bringt man ein 136-Seiten starkes Heft im DIN-A4 Format für moderate drei Euro an den Start. Viele der Interessenten haben sich aber wohl zu früh gefreut, denn das Heft wird nur vor der Nordwestkurve vertrieben. Ein Versand wird kategorisch ausgeschlossen. Zu einem Kauf inkognito direkt am Stand wird nur bei sicherem Beherrschen der hessischen Mundart geraten.

Ähnlich wie im bereits etablierten Nürnberger Pendant „Ya Basta“ bietet das „Stöffche“ eine breitgefächerte Auswahl an Themen. Neben kritischen Texten zur Vereinspolitik wird natürlich auch ein Blick in die Nordwestkurve geworfen. Hier sind besonders die Berichte über die selbst organsierten Sonderzugfahrten  und die detailliert geschilderten Spielberichte erwähnenswert. Gerade Letztere werden sachlich und informativ dargelegt. Ein Jargon, wie er aus der Plattenpost oder dem Zentralorgan bekannt ist, wird nicht verwendet und so beschränken sich die Ausführungen nicht nur auf Mobstärke, Bauchtaschendichte und Plünderungen. Vielmehr wird auch die eigene Kurve kritisch betrachtet. Besonders der Rückgang der guten Stimmung bei Heimspielen macht den Frankfurtern zu schaffen. Zusammenstöße mit anderen Gruppen werden nicht verschwiegen, aber auch nicht sonderlich ausgeschmückt. Prollgehabe? Fehlanzeige! Ferner wird ein Blick hinter die Kulissen der Sektion Stadionverbot gegeben. Bei jedem Spiel der Hinrunde 2011/2012 war eine zweistellige Anzahl Ausgesperrter anwesend. Hierbei wird der Zusammenhalt hervorgehoben, und – es ist das einzige Mal im Verlauf des Heftes – rückblickend und selbstkritisch das eigene Handeln hinsichtlich Gewalt und Überfälle angerissen.

Wie zu erwarten werden Themen mit politischem Zusammenhang rar gesät. Immerhin wird von einer von Teilen der Fanszene organisierte Reise nach Auschwitz berichtet. Neben dem Fanprojekt waren hauptsächlich Mitglieder der Droogs, dem EFC Schwarze Geier und weitere Einzelpersonen beteiligt. Teilnehmer der Exkursion versuchten mit nachdenklichen Worten dem Leser einen Eindruck von dem Erlebten zu schaffen.

Ein weiterer Teil wird dem Thema Kultur zugeschrieben. Los geht’s direkt mit dem Stöffchen an sich. Was ist eigentlich dieses Stöffche? Wer jetzt auf berauschende Mittel aus dem Bahnhofsviertel hofft, den muss ich leider enttäuschen. Es handelt sich um den wohlschmeckenden Ebbelwoi; hochdeutsch Apfelwein. Damit man auch weiß, wie man das hessische Nationalgetränk zu sich nimmt, werden auf den folgenden Seiten die Werkzeuge Bembel, das Gerippte und das Deckelche erklärt. Aber nicht nur der Gaumen soll angeregt werden, daher gibt es auch ausführliche Erzählungen über Frankfurt selbst und mit dem „Lesestöffche“ eine Rubrik, in der Bücher besprochen werden. Der Kern des kulturellen Teils bildet ein ausführliches Interview Interview mit DJ Dag. Der Musiker, der entscheidend am „Sound of Frankfurt“ beteiligt war, plaudert nicht nur von seinen Erlebnissen als DJ, sondern auch von seinen Zeiten bei der Adlerfront.

Mit Innsbruck, Mannheim, Leipzig und Bergamo kommen alle Freunde der Ultras Frankfurt zu Wort und berichten über die vergangenen Spielzeiten, von Höhen und Tiefen der Freundschaft und aktuellen Problemen in den jeweiligen Ligen und Ländern.

Das Rad neu erfunden haben die Ultras Frankfurt nicht. Man hat es aber trotzdem geschafft dem Heft seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Dass man sich eher an den Kollegen aus Stuttgart und Nürnberg orientiert und eher Richtung Magazin, als in Richtung Fanzine geht, lässt sich nicht verleumden. Mit der Aussage „Stöffche Nummer 2 kommt raus, wenn´s feddisch is“ verabschiedet sich die Redaktion und lässt den Leser ein wenig im Ungewissen, wann die nächste Ausgabe erscheinen soll. Der Grundstein für ein gutes Heft wurde mit der Erstausgabe gelegt. Wenn die Standpunkte der Ultras Frankfurt zu bestimmten Themen (Gewalt, Politik) in Zukunft noch mehr zur Geltung kommen, könnte das Heft sich locker von den schwäbischen und fränkischen Organen abheben.

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