Freitag, 30. Oktober 2015

Unterwegs #10 a&b

Herausgeber: Josef Gruber
Erscheinungsdatum: Dezember 2014
Seiten: 104
Preis: 4,20 € (Doppelausgabe), sonst 3 €


Er hat zu jedem besuchten Spiel, jeder Gruppe und jeder Zaunfahne  eine eigene kleine Geschichte auf Lager. Josef Gruber, Rapidler, Herausgeber des Fanzines Unterwegs und des Bildbandes „Ultras Italien“. Bei einer Besprechung eines seiner Werke, weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Inhaltlich sind sie bis an den zum Rand gefüllt mit Informationen. Die aktuelle Doppelausgabe #10 ist ein gutes Beispiel dafür.

Die Interviews mit OberL (Beziehungskiste) und der Brigade Sopron (Ungarn) sind da nur der Anfang. Zahlreiche Spielbesuche lockern die zum Teil langen Texte auf. Gruber versteht es aber zum einen in einfachen Worten das Gesehene auf den Punkt zu bringen, schweift in anderen Artikeln aber auch gerne einmal ab.

Ein Beispiel dafür ist der Bericht zum Europapokal-Spiel zwischen Slovan Bratislava und SSC Napoli. Mit Liebe zum Detail gibt er den Tag der Neapolitaner wieder. Beschreibt den Stadtrundgang der Süditaliener, als wäre er selbst mittendrin gewesen. Wundern würde es  mich nicht, wenn es auch so gewesen wäre, denn Gruber erinnert sich: „Jeder stilecht mit einem kurzen Fahnenstock bewaffnet, welche man lustigerweise später im Stadion kein einziges Mal sah…“ In vielen anderen Heften wäre zu Lesen gewesen: „Napoli flaggte gut an“. Gruber hingegen nimmt jeden einzelnen Fetzen auseinander, ordnet ihn den Gruppen zu und gibt zum Teil noch Auskunft, wann das Stück Stoff zum ersten Mal hing. Sowas muss man mögen. Meinen Geschmack trifft der alte Fußballromantiker mit solchen Geschichten definitiv.

I-Tüpfelchen mit Sicherheit ein neunseitiger Exkurs zum Film „Estranei alla Massa“ aus dem Jahre 2001 über die Fedayn aus Napoli, der gleichzeitig darüber hinaus dem Leser eine ganze Menge an Hintergrundinformationen über die einzelnen Protagonisten gibt. Einen roten Faden sucht der Leser hingegen vergeblich im Heft. Der ist aber auch nicht unbedingt notwendig, denn nahezu alle Geschichten sind absolut lesenswert. So finde ich mittedrin einen Südamerika-Report vom Teamchef von 1997. Auch damals schon die Warnung bei San Lorenzo aufzupassen. „Total umgeben von Slums. Abendspiele unbedingt nur mit dem Taxi anfahren, sehr gefährlich.“

Die #10 wurde übrigens zur Doppelausgabe, weil Grubers Druckerei bei Anfragen über 80 Seiten abwinkt.  Insgesamt bekommt ihr für 4,20€ 104 Seiten (Cover farbig, Rest s/w) keinen literarischen Hochgenuss, aber ein Fanzine, das mit sehr viel Liebe zum Detail produziert wurde und  zu dem ich nur meine absolute Empfehlung aussprechen kann. Kontakt: gruberjosef@gmx.net

MGR